Vortrag: Musik als Geländer

Dr. Christoph Schwabe

Musik kann ein Geländer sein

Dr. Christoph Schwabe

Der 1934 bei Chemnitz geborene Dr. Christoph Schwabe lernte während seiner 30jährigen Tätigkeit als Dozent für Psychologie an der Universität Leipzig unter vielen anderen auch zahlreiche Stotterer und Sprechbehinderte kennen.

Bei den Beeinträchtigungen der Lebensqualität gibt es in der Regel für den Betroffenen folgende sehr einfach erscheinende Grundüberlegung: Möchte ich die Beeinträchtigungen ändern – oder kann ich mich damit einrichten und damit umgehen. Wenn ich die Beeinträchtigungen ändern möchte, komme ich nicht umhin, dann auch den Umgang mit meinem Leben zu verändern.

Das hört sich einfach an. Und es betrifft längst nicht nur Beeinträchtigte und Behinderte, sondern jeden Menschen. Ein unendliches Spektrum von Möglichkeiten, Erfahrungen und neuen Ansätzen verbirgt sich dahinter. Wenn man so will, ist die Frage „Will ich mich verändern oder nicht?“ eines der wichtigen grundsätzlichen Themen im Leben eines jeden.

Für Beeinträchtigte und Behinderte steht die Frage allerdings deutlicher.

Für den Sprechbehinderten, um den es hier vorwiegend geht, ist anzumerken, dass für fast jede Störung – sowohl sprechmotorische als auch psychische – Ausgangspunkte vorhanden sind, die eine Entwicklung zum Besseren ermöglichen.

Wiederum bedeutsam dabei, wie übrigens bei allen Menschen, ist das soziale Umfeld. Hier muss jeder einen Bereich haben, in dem er sich wohlfühlt. Besonders bei den nicht immer positiven Erfahrungen im „Außen“ ist das wichtig. Die Neigung des Betroffenen, in diesem „geschützten Umfeld“ zu bleiben, ist verständlich. Aber das Gegenteil sollte er tun: „Außen“ die sprachlichen Herausforderungen suchen! Dr. Christoph Schwabe nennt das Beispiel eines Stotterers, der sich entschlossen hat, Stadtführungen zu leiten.

Im „geschützten Umfeld“ müssen Stärkungen, aber auch Ablenkungen erfolgen. Es gibt eine unübersehbare Palette von Möglichkeiten. Es ist Sache eines jeden selbst, sich auszuwählen, was gut und aufbauend ist.

Musik zum Beispiel ist hier ein positiver Faktor an vorderer Stelle. Dr. Christoph Schwabe hat eine Musiktherapie entwickelt, die übrigens auch nach ihm benannt worden ist.

Die Elemente Melodie, Rhythmus und Dynamik bei guter Musik können wir mit längeren oder kürzeren Lebensphasen – in diesem Falle die Sprechbehinderten auch mit dem Sprechen – vergleichen.

Hier spielen Elemente der Harmonie eine wichtige Rolle. Ein Gegenteil davon ist zum Beispiel die überaus aufputschende und nur rhythmische Musik, die ein Ausdruck unserer Zeit ist, sich hart ablenken zu wollen von den zumeist nervlichen Anstrengungen der (digitalen) stressigen Welt.

Gute Musik hat Teile, die sich wiederholen. Wie es in unserem Leben Bereiche gibt und geben muss, die immer wiederkehren. Es ist eine Art Geländer, ein Stereotyp. Das Gegenfeld sind die Belastungen, also die guten und weniger guten Höhepunkte. Beides, Stereotyp und Dynamik, müssen im richtigen Verhältnis stehen.

Und darauf kommt es an. Längst nicht nur bei Beeinträchtigten und Behinderten. Bei allen Menschen. (Red.)


Veranstaltungen (Auswahl)

Archiv